[tribe in trouble]

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In Lateinamerika gibt es eine Pflanze, von der die Menschen glauben, dass sie die Seele vom Körper löst, die dann wieder in den Körper zurückwandern kann. Zwei Lianenarten der Gattung Banisteriopsis (Malpighiaceae) bilden die Grundlage für die Zubereitung des Yage(Ayahuasca-Tranks), der tief in der Kultur und Mythologie der Cofanes verwurzelt ist. Der Gebrauch dieser Schlingpflanzen hat sich über die Anden bis an die Pazifikküste von Kolumbien und Ecuador verbreitet. Eine US-amerikanische Firma bekam 1986 ein Patent, das ihr die alleinigen Verwertungsrechte für eine der beiden Lianenarten sichert.

1996 wurde die COICA (die Dachorganisation der indigenen Organisationen des Amazonas-Becken) über die Existenz des Patentes informiert. Kurz danach stellte COICA einen Antrag auf die Zurücknahme. Die Existenz dieses Patentes war eine tiefe Beleidigung für die mehr als 400 indigenen Völker im Amazonasbecken, weil Ayahuasca für sie eine heilige Pflanze ist, mit der sie ihre Krankheiten heilen, Geister reinigen und in die Zukunft vorausschauen. Die Ayahuasca gehört allen Gemeinschaften, die sie benutzen - und deshalb ist es unmöglich, dass ein einzelner Mensch oder eine Firma Rechte über sie besitzt.

Das Patent- und Markenamt nahm am 3. November 1999 das Patent zurück. Ohne Zweifel war diese Entscheidung ein großer Sieg für die indigenen Völker im Amazonasbecken. Der Taita (spiritueller Führer) der Cofanes Querubin Queta sagte, als er die Botschaft erhielt: "Diese Nachricht macht den Amazonas-Urwald grüner, die Guacamayos singen, fliegen und verschönern mit ihren Farben die Mutter Natur... Das Leben ist zurückgekehrt".

Das Patent wurde zurückgenommen, aber es ist wichtig zu wissen, welche Gründe das Patentamt für diese Entscheidung hatte. Die Zurücknahme erfolgte nicht, weil man Ayahuasca als kulturelles Erbe der indigenen Völker oder das kollektive Recht der Amazonasvölker über ihr traditionelle Wissen anerkannte. Der Grund dafür war, dass die botanische Abteilung der Michigan-Universität schon vorher die Pflanze registriert hatte, bevor das Patent an Herrn Miller ging. So war das Hauptargument gegen das Patent, dass die Pflanze schon bekannt und verfügbar war. Das Patent wurde nicht zurückgenommen, weil es das Recht der Indigenen auf ihr traditionelle Wissen verletzt hätte, sondern aus technischen Gründen.

"Der Fall zeigt, wie wichtig es für uns indigenen Völker ist, für den Schutz unseres kulturellen Erbes zu kämpfen. Es lohnt sich zu kämpfen - wir können gewinnen - aber dafür müssen wir uns in der Problematik des intellektuellen Eigentums weiterbilden und wir müssen über genügend Finanzmittel verfügen, um die notwendigen Gerichtsverhandlungen erzwingen zu können.
Zweitens, der Fall Ayahuasca zeigt, dass unser Begriff des intellektuellen Eigentums nicht vereinbar ist mit dem entsprechenden Begriff der Außenwelt, welcher mit Privateigentum und kommerziellen Interessen verbunden ist. Für uns ist intellektuelles Eigentum immer kollektiv. Dieses Wissen ist in der Gemeinschaft verteilt und wurde von unseren Ahnen überliefert. Es sind keine kommerziellen Zwecke damit verbunden, sondern als Teil unserer Kultur trägt es zum physischen und spirituellen Wohlbefinden unserer Völker bei.
Als dritte Schlussfolgerung sehen wir einen Unterschied zwischen dem Norden und den indigenen Völkern in der Beziehung zur Natur. In unserer Weltsicht können wir Menschen nicht die Natur oder das Leben besitzen. Das Leben ist überall. In der Mentalität der Industrieländer kann man alles besitzen: Pflanzen, Tiere, sogar die menschlichen Gene. In der ethischen Sicht über das Leben existiert ein großer Unterschied zwischen den Ländern des Nordens und den indigenen Völkern."

Antonio Jacanamijoy, Generalkoordinator der COICA auf der achten Tagung der Kommission für nachhaltige Entwicklung der UN

Das Ayahuasca-Patent ist zu einem Synonym für den Raub am Wissen indigener Völker geworden. Die Realisierung dieses Patentes wurde durch das Abkommen über die handelsbezogenen Aspekte der Rechte auf geistiges Eigentum (TRIPs, Agreement on Trade related aspects of intellectual property rights) möglich. Das TRIPs ist Bestandteil eines Abkommens, das 1995 zur Gründung der WTO (Welthandelsorganisation) führte.